Zum Inhalt springen
Home » GdB /GdS-Tabelle: wichtige Infos und Details zur Basis der versorgungsmedizinischen Grundsätze » Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten (Teil I)

Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten (Teil I)

Schäden bzw. Verletzungen im Bereich der Haltungs- und Bewegungsorgane bzw. der rheumatischen Krankheiten können entweder angeboren oder im Laufe des Lebens erworben werden. Ob bzw. welcher GdS hier im Einzelnen berücksichtigt wird, ist im Wesentlichen von den Funktionsbeeinträchtigungen abhängig.

Meist handelt es sich bei besagten Funktionsbeeinträchtigungen um Behinderungen im Bereich der Bewegung oder der Belastung. In einigen Fällen können auch andere Organe mit betroffen sein. Je nachdem, welcher Bereich betroffen ist, leiden die Patienten auch oft unter leichten bis starken Schmerzen, die sie im Alltag zusätzlich einschränken.

Der folgende Ausschnitt einer ansonsten längeren Liste soll aufzeigen, wie vielseitig die Beschwerden mit Hinblick auf Haltungs- und Bewegungsorgane bzw. rheumatische Krankheiten sein können und inwieweit diese in der Regel mit Hinblick auf den GdS berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist es hierbei – wie immer – wichtig, nicht die psychologischen Folgen dieser Verletzungen außer Acht zu lassen. Viele der Betroffenen sind im Alltag aufgrund der entsprechenden Einschränkungen dauerhaft auf Hilfe angewiesen.

Entzündlich-rheumatische Krankheiten

Entzündlich-rheumatische Krankheiten können in den unterschiedlichsten Bereichen des Körpers vorkommen. Auch die Bandbreite der möglichen Beschwerden ist groß. Während es durchaus Menschen gibt, die keine wesentliche Funktionseinschränkung verspüren, können die Auswirkungen auch so schwerwiegend sein, dass ein 100%iger Schwerbehinderungsgrad gewährt wird. Im Zuge der Einordnung in einen bestimmten Behinderungsgrad werden unter anderem auch die Auswirkungen einer etwaigen Therapie berücksichtigt.

Nicht-entzündliche Krankheiten der Weichteile

Um den Grad der Behinderung hier zu beurteilen, ist es wichtig, sich mit der Art und dem Ausmaß der Beschwerden auseinanderzusetzen. Auch Fragen wie „Sind noch weitere Organe betroffen?“ oder „Wie wirkt sich die Erkrankung auf den Allgemeinzustand aus?“ spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Muskelkrankheiten

Muskelkrankheiten können in vielen verschiedenen Varianten auftreten und den Alltag der Betroffenen nachhaltig belasten. Vor allem die Muskelschwäche spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Er kann im schlimmsten Fall zu einer Geh- und Stehunfähigkeit bzw. zur Gebrauchsunfähigkeit der Arme führen. Sind die Auswirkungen nur gering, schlägt die Muskelschwäche meist mit einem GdS zwischen 20 und 40 Prozent zu Buche.

Der Kleinwuchs

Wie hoch der GdS ist, der in Verbindung mit Kleinwüchsigkeit gewährt wird, ist von der jeweiligen Körpergröße abhängig.

Hierbei gilt:

Zwischen 130 cm und 140 cm30 bis 40 %
Zwischen 120 cm und 130 cm50 %
120 cm und wenigerHöherer GdS (individuelle Beurteilung)

Unter anderem kann der Kleinwuchs auch die Psyche der Betroffenen stark belasten. Dies gilt selbstverständlich auch für Menschen, die besonders groß sind. Großwüchsige Menschen werden jedoch nicht automatisch in einen GdS eingeteilt. Hier ist es VOR ALLEM die psychische Komponente, die im Rahmen der Einordnung beachtet wird.

Verschiedene Arten von Wirbelsäulenschäden

Zu den klassischen Wirbelsäulenschäden zählen Schäden an der Bandscheibe, Instabilitäten und ähnliche Beeinträchtigungen. Sind die Einschränkungen besonders gravierend, ist es den Betroffenen oft nicht mehr möglich, ihrem gewohnten Alltag nachzugehen. Längeres Stehen oder Sitzen fällt oft schwer. In einigen Fällen droht die Berufsunfähigkeit.

Ähnliches gilt auch für Beckenschäden.

Weitere Schäden bzw. Beschwerden im Bereich der Haltungs- und Bewegungsorgane

Weitere Schäden, die mit Hinblick auf einen GdS im Bereich der Haltungs- und Bewegungsorgane eine Rolle spielen können, sind unter anderem:

  • Endoprothesen (können beispielsweise auch von Nervenschädigungen und Muskelminderung begleitet werden)
  • Schäden im Bereich der oberen Gliedmaßen (zum Beispiel der Verlust eines Armes)
  • Schäden im Bereich der unteren Gliedmaßen (zum Beispiel der Verlust eines Beines).
18.1 Allgemeines 

Dieser Abschnitt umfasst Haltungsschäden, degenerative Veränderungen, osteopenische Krankheiten, posttraumatische Zustände, chronische Osteomyelitis, entzündlich-rheumatische Krankheiten, Kollagenosen und Vaskulitiden sowie nichtentzündliche Krankheiten der Weichteile.Der GdS für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen wird entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicher Weise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt.Außergewöhnliche Schmerzen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein.Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z.B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen.Mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdS. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdS begründen.Das Funktionsausmaß der Gelenke wird im Folgenden nach der Neutral-Null-Methode angegeben.Fremdkörper beeinträchtigen die Funktion nicht, wenn sie in Muskel oder Knochen reaktionslos eingeheilt sind und durch ihre Lage keinen ungünstigen Einfluss auf Gelenke, Nerven oder Gefäße ausüben.Der GdS bei Weichteilverletzungen richtet sich nach der Funktionseinbuße und der Beeinträchtigung des Blut- und Lymphgefäßsystems. Bei Faszienverletzungen können Muskelbrüche auftreten, die nur in seltenen Fällen einen GdS bedingen.Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für Kollagenosen und Vaskulitiden.Bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten (z. B. Osteoporose, Osteopenie bei hormonellen Störungen, gastrointestinalen Resorptionsstörungen, Nierenschäden) ist der GdS vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdS.

Anmerkung

18.2.1 Entzündlich-rheumatische Krankheiten (z.B. Bechterew-Krankheit)
 
 ohne wesentliche Funktionseinschränkung
mit leichten Beschwerden
10
 mit geringen Auswirkungen
(leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität)
20 – 40
 mit mittelgradigen Auswirkungen
(dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität)
50 – 70
 mit schweren Auswirkungen
(irreversible Funktionseinbußen, hochgradige Progredienz)
80 – 100
Auswirkungen über sechs Monate anhaltender aggressiver Therapien sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. 

Anmerkung

18.2.2 Kollagenosen (z.B. systemischer Lupus erythematodes, progressiv-systemische Sklerose, Polymyositis/ Dermatomyositis),

18.2.3 Vaskulitiden (z.B. Panarteriitis nodosa, Polymyalgia rheumatica)
 
Die Beurteilung des GdS bei Kollagenosen und Vaskulitiden richtet sich nach Art und Ausmaß der jeweiligen Organbeteiligung sowie den Auswirkungen auf den Allgemeinzustand, wobei auch eine Analogie zu den Muskelkrankheiten in Betracht kommen kann. Für die Dauer einer über sechs Monate anhaltenden aggressiven Therapie soll ein GdS von 50 nicht unterschritten werden.

Anmerkung

18.3 Bei der Beurteilung nicht-entzündlicher Krankheiten der Weichteile kommt es auf Art und Ausmaß der jeweiligen Organbeteiligung sowie auf die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand an.

18.4 Fibromyalgie
 
 Die Fibromyalgie, das Chronische Fatigue Syndrom (CFS), die Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und ähnliche Syndrome sind jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen.

Anmerkung
 

18.5 Chronische Osteomyelitis
 
 Bei der Beurteilung des GdS sind die aus der Lokalisation und Ausdehnung des Prozesses sich ergebende Funktionsstörung, die dem Prozess innewohnende Aktivität und ihre Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und außerdem etwaige Folgekrankheiten (z.B. Anämie, Amyloidose) zu berücksichtigen. Bei ausgeprägt schubförmigem Verlauf ist ein Durchschnitts-GdS zu bilden.

Ruhende Osteomyelitis (Inaktivität wenigstens 5 Jahre)
0 – 10

Chronische Osteomyelitis
 
 geringen Grades
(eng begrenzt, mit geringer Aktivität, geringe Fisteleiterung) mindestens
20
 mittleren Grades
(ausgedehnterer Prozess, häufige oder ständige Fisteleiterung, Aktivitätszeichen auch in Laborbefunden) mindestens
50
 schweren Grades
(häufige schwere Schübe mit Fieber, ausgeprägter Infiltration der Weichteile, Eiterung und Sequesterabstoßung, erhebliche Aktivitätszeichen in den Laborbefunden)  mindestens
70

Eine wesentliche Besserung wegen Beruhigung des Prozesses kann erst angenommen werden, wenn nach einem Leidensverlauf von mehreren Jahren seit wenigstens zwei Jahren – nach jahrzehntelangem Verlauf seit fünf Jahren – keine Fistel mehr bestanden hat und auch aus den weiteren Befunden (einschließlich Röntgenbildern und Laborbefunden) keine Aktivitätszeichen mehr erkennbar gewesen sind. Dabei ist in der Regel der GdS nur um 20 bis 30 Punkte niedriger einzuschätzen und zwei bis vier Jahre lang noch eine weitere Heilungsbewährung abzuwarten, bis der GdS nur noch von dem verbliebenen Schaden bestimmt wird.

18.6 Muskelkrankheiten
 
Bei der Beurteilung des GdS ist von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen auszugehen: 

Muskelschwäche
 
 mit geringen Auswirkungen (vorzeitige Ermüdung, gebrauchsabhängige Unsicherheiten)20 – 40
 mit mittelgradigen Auswirkungen (zunehmende Gelenkkontrakturen und Deformitäten, Aufrichten aus dem Liegen nicht mehr möglich, Unmöglichkeit des Treppensteigens)50 – 80
 mit schweren Auswirkungen (bis zur Geh- und Stehunfähigkeit und Gebrauchsunfähigkeit der Arme)90 – 100
 Zusätzlich sind bei einzelnen Muskelkrankheiten Auswirkungen auf innere Organe (z.B. Einschränkung der Lungenfunktion und/oder der Herzleistung durch Brustkorbdeformierung) oder Augenmuskel-, Schluck- oder Sprechstörungen (z.B. bei der Myasthenie) zu berücksichtigen.

Anmerkung
 

18.7 Kleinwuchs
 
Körpergröße nach Abschluss des Wachstums 
 über 130 bis 140 cm30 – 40
 über 120 bis 130 cm50
 Bei 120 cm und darunter kommen entsprechend höhere Werte in Betracht.
Dieser GdS ist auf harmonischen Körperbau bezogen.
 
Zusätzlich zu berücksichtigen sind (z.B. bei Achondroplasie, bei Osteogenesis imperfecta) mit dem Kleinwuchs verbundene Störungen wie
 mangelhafte Körperproportionen,
Verbildungen der Gliedmaßen,
Störungen der Gelenkfunktion, Muskelfunktion und Statik,
neurologische Störungen,
Einschränkungen der Sinnesorgane,
endokrine Ausfälle und
außergewöhnliche psychoreaktive Störungen.
 

Anmerkung
 

18.8 Großwuchs
Großwuchs allein rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdS. Auf psychoreaktive Störungen ist besonders zu achten.
 

Anmerkung
 

18.9 Wirbelsäulenschäden
 
Der GdS bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomiesyndrom) ergibt sich primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte.Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. Sogenannte Wirbelsäulensyndrome (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie, sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten.Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung.Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden
 ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität0
 mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome)10
 mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome)20
 mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome)30
 mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten30 – 40
 mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb])50 – 70
 bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit80 – 100

Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z.B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen.Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdS über 30 in Betracht kommen.AnmerkungDas neurogene Hinken ist etwas günstiger als vergleichbare Einschränkungen des Gehvermögens bei arteriellen Verschlusskrankheiten zu bewerten.Anmerkung

18.10 Beckenschäden
 ohne funktionelle Auswirkungen0
 mit geringen funktionellen Auswirkungen (z.B. stabiler Beckenring, degenerative Veränderungen der Kreuz-Darmbeingelenke)10
 mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (z.B. instabiler Beckenring einschließlich Sekundärarthrose)20
 mit schweren funktionellen Auswirkungen und Deformierung30 – 40